Die musikalischen Grenzen ausloten

Bild: Nicolas Duc

KnoR ist nicht nur ein Zürcher DJ, sondern vielmehr ein Bauarbeiter was elektronische Musik anbelangt. Oder wie sich der Künstler selber bezeichnen würde: eine Maschine. Georg Bleikolm, das Gesicht hinter KnoR und Drummer der Elektronik-Rocker Rizzoknor, schafft es auf auf der neuen EP «Koboi» dieses Rohe zwischen Handgemachten und Generiertem einzufangen und dem Hörer neue Grenzen zu setzen.

«Als Teenager habe ich in verschiedenen Bands gespielt, auch zusammen mit meinem Bruder. So habe ich schon mit 16 Jahren in einigen Bands mitgewirkt und viele Konzerte gespielt. Als wir dann ein Hip Hop-Projekt aufzogen, sollte auf einmal für jeden von uns ein Name her. Georg war da natürlich hörbar unspektakulär. Stell dir mal vor, Georg Bleikolm im Welschland. Geht ja auch nicht, dass man mich Jorge nennt. So suchten wir also nach einem Künstlernamen. Zu Beginn fiel Gorge, also zu deutsch Hals. Dann kam jemand mit der Kreation Gmorges oder le Mort und sogar dem Ort Morges. Irgendwann, über welche Umstände auch immer, landeten wir am Schluss bei Knor. Wir hatten es damals sehr lustig, kann man sagen. Der Name war also schon lange vor der jetzigen Musik, die hinter Knor steckt, da. Spannenderweise war dieses Instrumentale und Experimentelle schon damals Teil unserer Musik. Dieses maschinenverbundene hat mich schon damals gepackt. Ich bin Schlagzeuger, nicht ein technikversierter Jazz-Drummer, sondern mehr eine Maschine.»

Faszination an Elektronik

«In erster Linie war da die Faszination für das Musikerschaffen mit elektronischen Instrumenten. Es wurde viele demokratisiert und auf einmal hatte Ende 90er Jahre jeder Zugriff und die Möglichkeit mit seinem Laptop und ein paar Geräten daneben Musik zu erschaffen, die wirklich eigen ist. Man musste nicht mehr auf Loops zurückgreifen. Du hattest die Möglichkeit deinen eigenen Sound zu schaffen, so wie du es wolltest. Dadurch gingen für mich viele Türen auf und ich verspürte auch den Reiz, diese Technik beherrschen zu können. Ich fand dieses Tüfteln eine grossartige Sache. Dieses tagelange ausprobieren, wenn du dir ein neues Gerät angeschafft hast. Das alles hat viel mit Experimentieren zu tun, schauen was möglich ist, wo die Grenzen liegen.»

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Vom Schlagzeug zum DJing

«Für mich ist es auch beim Arrangieren von elektronischen Liedern wichtig, eine gewisse Aktivität dahinter zu spüren. Diese versuche ich wohl von meinem Hintergrund als Schlagzeuger beizubehalten. Ich arbeite mehr und mehr weg vom Computer. So habe ich also ein paar Drum-Computer zu Hause, die ich als verbinden kann und mit dem PC ansteuern. Oder seien dies auch Sampler, die ich ebenfalls mit einbringen kann. Mit all dem habe ich mir auch mein neues Live-Set aufgebaut. Ich finde dieses Konzept geil, weg vom Bildschirm, wieder mehr mit den Händen arbeiten. Und trotz all dieser elektronischen Abenteuer werde ich natürlich das Schlagzeugspielen niemals verlernen. Schliesslich ist dieses Instrument ein Teil von mir seit ich mit 12 Jahren damit angefangen habe und mich bis Mitte 20 ausbilden liess. Heute ist es eigentlich wie Fahrradfahren, das werde ich auch nie vergessen. Ich fühle mich hinter dem Drum-Set extrem wohl und hoffe, dass ich mich genauso auch hinter den Maschinen wohl fühlen kann.»

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Ein grosser Teil meiner Arbeit ist eher düster (Foto: zvg)

Stimmungsgeladener Entstehungsweg

«Beim Produzieren von neuen Songs ist bei mir nicht zuerst eine Geschichte im Kopf, sondern mehr eine Stimmung die ich damit erzielen will. Es ist eine Grundstimmung zu erkennen, so wie zum Beispiel beim Stück It’s Happening. Ein grosser Teil meiner Arbeit ist eher düster und hat etwas Schweres, verbunden mit Melancholie. Und der Text dazu ist entstanden, als ich in ähnlich nachdenklicher Stimmung war wie der Cowboy im Video. Ich stelle mir immer viele Fragen und bin eine Person, die viel nachdenkt. Das ist zwar nicht immer von Vorteil. Der Track an sich ist aber ziemlich schnell entstanden, ein paar Teile davon hatte ich schon 2013 im Set. Die Lyrics dazu ist dann schlussendlich mit hinein geflossen. Die Zeilen kann man auf Dinge projizieren, es ist schliesslich auch eine Art Dialog. Jemand erzählt eine Geschichte, in der zwei Personen aufeinander treffen. Da denken viele gleich an eine Liebesgeschichte, aber es ist eher eine Liebeskummer-Geschichte über das Leben. Dies war eine Phase, während der ich viel reflektiert habe und den Fluss des Lebens vor Augen hatte. Du siehst wo du hin gehst, du siehst was du machst und du erkennst wer du bist.»

Musik in bewegten Bildern

«Das neuste Projekt, also die bald erscheinende Koboi-EP, läuft schon seit letztem Jahr und das Video zum Track It’s Happening ist Teil des Ganzen. Bei der Arbeit zum Videoclip war ich gleichzeitig Produzent und Co-Autor. Für mich war es essentiell bei der Entstehung involviert zu sein, schliesslich zahle ich die Produktion auch aus eigener Tasche. Und mit Xaver Xylophon aus Berlin habe ich dafür einen Künstler gewinnen können, der mich direkt angesprochen hat. Ich mag seinen Stil und den Erzählweg, er lässt den Fluss des Lebens darin mitlaufen. Auch hat er meine Gedanken und Ideen zur Umsetzung gleich verstanden. Was ziemlich aussergewöhnlich erscheint. Es ist ja selten der Fall, dass jemand aus deinen Gedanken gleich etwas formen kann. Aber er hat meine Ideen verstanden. Bald darauf hat er mir die ersten zwei Minuten geschickt. Das ging alle zack-zack, Ende Dezember war schon alles fertig.»

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Die Stimme als Instrument

«Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, meine eigene Stimme in die Musik einzubringen. Und dann handelte ich nach dem Motto «Probieren geht über Studieren». Der Gedanke daran war schon lange da und nun habe ich mich gewagt diesen auch umzusetzen. Zum Teil habe ich auch schon schüchtern und für mich Sachen aufgenommen, aber dies ist nun wirklich der erste Schritt bei dem ich mit meinen Vocals in Erscheinung trete. Durch den ganzen Prozess habe ich auch neue Seiten an der Musik kennengelernt. Die Freude daran Texte zu schreiben, sich mit eigenen Worten mit einzubringen. Und auch das alles in einem Musikvideo festzuhalten war eine tolle Erfahrung. Klar ist der Weg zu einer solch persönlichen EP lange und anstrengend, aber es war spannend und abwechslungsreich.»

Live-Erlebnis mit Wucht

«Es ist sicher live gesungen und baut dann auf verschiedenen Ebenen auf. Gewisse Arrangements sind fix vorgegeben und andere offen, entstehen also direkt während dem Set. Wie bei einem Techno-Liveset, alles basiert auf Repetition. Ich spiele also auch mit Loops und was wichtig ist, es kommt ein Gitarrist hinzu. Dies bietet eine ganze neue Dimension für die eigentlichen Kompositionen. Zudem ist er, was Musik anbelangt, mindestens genauso ein Tüftler wie ich. Dadurch entsteht, wie ich es ausdrücken würde, Techno mit Eiern. Denn durch dieses gemeinsame Interesse am Ausloten der Möglichkeiten, wird die Live-Umsetzung eine spannende Angelegenheit. Die Gitarrenklänge sollen eher minimal wirken, aber immer wie ein fettes Rohr ins Publikum preschen. So gewinnt meine Musik live zusätzlich an Power und kommt dem Hörer mit einer erfrischenden Wucht entgegen. So auch am kommenden Release am 12. Juni im Zürcher Helsinki

Photographer : Nicolas Duc
«Probieren geht über Studieren» (Foto: Nicolas Duc)