SHNITiger Shit in Bern!

Da macht sich die Hauptstadt ganz schön wichtig – ganz zu Recht: Zum 12. Mal werden am diesjährigen SHNIT internationale Kurzfilme gezeigt. Diese kleine Schwester des Kinospielfilms macht Lust auf eine volle Ladung Short-Stories. Wenn da bloss der Kirchentyp nicht wäre…

2014_shnit_foto_bundesplatz_by Nelson Olguin Casas

Sie reden alle gleich. Mit zugeknöpfter Bluse und gefalteten Händen stehen sie da, stupsen ab und an ihre Brille zurecht und lassen lässige Worte durch das Gotteshaus hallen, um zu beweisen, wie cool die Kirche sein kann. Auch dieser Typ in der Berner Heiliggeistkirche ist einer von ihnen, denn er fängt an mit: «Chile und churzfilm händ…VIEL mitenand ztue!» Ich höre nicht mehr zu und denke an die katholisch angehauchte Zeit meiner ganz jungen Jahre. Damals konnte lautes Lachen an den falschen Stellen während eines Gottesdienstes (ein Wort, das ich nicht ausstehen kann), den Platzverweis bedeuten. Meine katholische Erziehung hat Spuren hinterlassen, die mich auf die Kirche nicht gut sprechen lassen. Dann endlich reisst mich das Klatschen aus den Gedanken – endlich! Der Typ hat sich verzogen und macht dem Thema des Abends Platz: den Kurzfilmen.

Die Eröffnungsreihe beginnt mit dem Animationsfilm Sisyphos (DE, 2min). Die Figur aus der griechischen Mythologie kämpft sich den steilen Berg hoch, vollendet die Aufgabe dann aber perfekt und scheitert letztlich an seiner Dummheit, seiner Abenteuerlust, seiner Unwissenheit oder was auch immer, das ist Interpretatiossache. Kurz und komisch, so wie die Filme sein sollten und auch sind.

Es geht weiter mit The Karman Line (UK, 25min), wo sich eine im Wohnzimmer senkrecht stehende Frau aus unerklärlichen Gründen stetig nach oben bewegt, ohne selbst ihren Körper zu bewegen. Klingt seltsam? Ist es auch, weswegen die Frau in der englischen Vorstadt, wo die Geschichte spielt, zur Sensation wird. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen, obwohl sich der Kurzfilm als wahres Drama entpuppt. Der Ehemann und die Tochter, völlig aufgelöst und verzweifelt, rüsten die Frau mit allem, was man halt so in der Luft braucht, aus und  müssen sich wohl oder übel von ihr verabschieden, denn sie steigt und steigt und steigt.

Im Film Bär (DE, 8min) erzählt der Filmemacher anhand von manipulierten Fotografien die Geschichte seines Grossvaters, der während des zweiten Weltkriegs ein Nazi war. Den Grossvater in jeder Fotografie mit einem waschechten Bären zu überkleben – auf diese Idee muss man zuerst kommen. Der Filmemacher hat dies so professionell gemacht, dass ich am Ende der 8 Minuten tatsächlich das Gefühl habe, er habe einen Bären als Grossvater gehabt. Kurz und kreativ.

SO_08_Baer

Etwas für die sexuell, abenteuerlichen Sehnsüchte liefert T’étais où quand Michael Jackson est mort (FR, 12min). Eine sexy Frau trifft auf sexy Mann, die sich anfänglich beide ihrer Anziehung nicht bewusst sind. Frau pöbelt den Mann auf französisch, arrogante Weise an, Mann gibt zurück, die beiden gehen ein Stück zusammen und prompt ergibt sich eine heisse Mischung und ich wünsche mir, dass die beiden im Bett landen oder das wenigstens mir einmal so etwas passiert. Meine Wünsche werden nicht erfüllt, der Film endet und ich bleibe feucht in der harten Bank des Gotteshauses zurück. Das finde ich amüsant. Nun gut, es geht weiter.

In Ghost Train (IR, 17min) setzt sich ein erwachsener Mann mit seiner Vergangenheit auseinander. Zusammen mit einem Jugendfreund teilt er ein dunkles Geheimnis, welches schwer auf den Beiden lastet. Und tatsächlich macht mir die Geschichte Angst, es kommen Geister und es spritz Blut. Manche Zuschauerinnen und Zuschauer lachen, ich lache mit – denn es ist kaum zu glauben, wie widerlich die Bilder sind und wie schnell eine Horrorstimmung erzeugt wurde. Auch das spricht für die Qualität dieser Filme.

Zum Abschluss der absolute Must-see-Animationsfilm Mute (NE, 4min). Eine unglaublich komische Geschichte mit einer tollen Wendung, fabelhaftem Sound und nicht zu übertreffenden Humor.

Ich bin begeistert ob der Filmauswahl und denke mir, wie cool es ist, dass solche Filme in einer Kirche gezeigt werden können. Dann tut es mir leid, was ich über den Kirchentyp gedacht habe  und ich wünschte ich hätte nie solche fiesen Gedanken gehabt. Aber was war, das war und ist nicht mehr, also muss es mir nicht leid tun. Hat ja auch niemand gehört oder gelesen.

Noch nichts vor am Wochenende? Dann nichts wie los nach Bern! Es lohnt sich. 7102 Filme aus 136 Ländern haben sich um einen Platz in der diesjährigen Ausgabe des internationalen Wettbewerbs beworben. Das shnit-Festival findet zeitgleich in Kairo, Kyoto, San José, Buenos Aires, Kapstadt, Bangkok und New York statt. Die internationale Preisverleihung – die Vergabe der Auszeichung «The Flaming Faun» – findet in New York statt. Die Gewinner 2014 werden vom 20. bis 22. Oktober online zu sehen sein.